Im heutigen Wortbeflügler gibt es wieder ein kleines Stück Prosa. Natürlich bleiben die ausgesprochen lockeren Richtlinien zur Teilnahme dieselben.
Im nun folgenden Text, den man entweder als skurril oder als Fragment betrachten kann, geht es mörderisch zu. Oder vielleicht auch nicht. Lasst sehen, wo euch die Flügel hintragen.
Los geht’s:
Es war der Morgen nach dem Mord. Nebel verschleierten seine Erinnerung. Nur ein Traum? War er zugegen gewesen? Beteiligt gar? Ein Augenzeuge? Oder doch nur der Täter? Er ließ den Kopf wieder in die Kissen sinken. So, wie er sich fühlte, war er das Opfer.
© Valentiner
Ich freue mich auf eure Flügel!
Nun gut, dann eben mal Mord und Totschlag:
Sein Magen schmerzte. Er drückte die Hände in den Bauch, zog die Knie an und legte sich winselnd auf die Seite. So gekrümmt lag er einige Minuten mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Langsam lichtete sich der Nebel in seinem Hirn. Vorsichtig öffnete er die Augen. Er schaute sich zaghaft um. Der Boden vor seinem Bett glich einem Schlachtfeld. Die Spuren seiner Tat waren nicht zu übersehen. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er hatte Durst. Langsam setzte er sich auf und griff nach dem Glas, das auf seinem Nachttisch stand. Hastig stürzte er in großen Schlucken das Wasser hinunter. Dann ließ er sich wieder auf sein Bett fallen. Jetzt sah er die dunklen Flecken auf seiner weißen Decke. Wie ärgerlich! Reichte es nicht, dass Mantel und Mütze des Mannes zerfetzt vor seinem Bett lagen? Er blickte erneut auf den Fußboden. Ein Schaudern durchlief ihn. Er konnte nicht glauben, dass er so brutal hatte sein können. Blind vor Gier hatte er sich auf den Mann gestürzt. Hatte ihm Mütze und Mantel in Fetzen vom Leib gerissen. Dann hatte er ihn geköpft. Ihm einfach seine Schädeldecke abgebissen. Seine Augen, Nase und Mund schlang er wie ein Tier herab. Er hatte nicht aufhören können. Zitternd setzte er sich auf. Ihm war schlecht. Er war Opfer seiner zügellosen Gier geworden. Vorsichtig stand er auf und hob einige Fetzen vom Boden auf. Wie bei einem Puzzle fügte er die Teile zusammen. Und plötzlich war es da. Dieses Lächeln, das ihnen beiden zum Verhängnis geworden war. Niemand hatte ihn je so verführen können wie dieser Mann. Er vergaß Übelkeit und Magenschmerzen. Es musste noch etwas da sein, irgendwo musste es noch ein Stückchen geben. Fiebrig suchte er den Boden ab, fegte die Fetzen zur Seite. Dann fand er es. Ein Stück vom Arm. Er lehnte sich an sein Bett und steckte es in den Mund. Zärtlich umspielte seine Zunge das Stück, bevor es in dder Wärme seines Mundes zerschmolz. Das letzte Stück seines Schokoladenweihnachtsmannes.
©Elvira V.
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Klasse, Elvira! Ich will zugeben, dass ich schon früh geahnt habe, wer das Mordopfer war, aber umso mehr hat es mir Spaß bereitet, bis zum süßen Ende zu lesen. 🙂
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Gruselig gut!!
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Und in vier Monaten killen wir den Osterhasen 😉
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Jawoll! Er wird uns nicht entwischen! 🙂
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